Seltsam die Frage: Warum schreibe ich? Keine Wahl gibt es dafür. Ich schreibe und in mir löst sich etwas auf in Worte, Sätze, rinnt heraus, steht auf dem Papier.
Es drängt und ich werde unmutig, voll Trauer oder Ungeduld, hart. Mich schmerzt der Rücken und wie ein grauer, staubiger Sack legt sich Alltag um mich. Ich leide die Welt – tue viel, organisiere, unterrichte, bin geschäftig und drücke die Tasten des Telefons. Wie ein Raubvogel sitzt es mir in der Brust, zernagt mir Herz und Leber.
Ein Papier, ein kleines Stückchen, ein reiner, weißer Bogen – und die Worte fließen, stocken, verbergen sich, spazieren heraus wie kleine Herren aus ihren Verstecken.
Mein gequältes Seelchen vergisst sich, schlüpft hinein in Laute, in Klänge und Bilder. Der Stift ist so langsam, das Papier so glatt – immer wieder saugt es sie an, die Worte, die geheimnisvoll aus der Tintenspitze geboren werden.
„Tu es nicht!“ rufe ich mir selbst zu, angstvoll, den Strom nicht zu unterbrechen. Doch dann siegt Orpheus und ich blicke zurück, lese, was da steht.
Blutrote Scham drückt sich in meine Wange. Wo ist der Zauber der Klänge, die mein inneres Ohr erlauschte, wo die Farben der Bilder, der wunderbare Flug der Poesie? Kalt und fremd stehen sie da, die Worte, wie erfrorene Säuglinge. Ihre eigenartige Schönheit rührt mich. Doch ich finde den warmen Duft ihrer Nähe nicht mehr. Ausgehaucht aufs Papier atmen sie den süßen Geruch gleichgültiger Leichname.
Nein, Schreiben ist keine Freude. Es ist ein Sterben in die Worte, hundert-, tausendfach, ein ekstatisches Martyrium.